Der Thatcher-Effekt

Thatcher Effekt

Effekt, Illusion - wenn das Hirn rotiert

Erst gestern bin ich auf Facebook über einen Beitrag gestolpert. Ein Foto von Adele (ja, diese doch ziemlich bekannte, weil begnadete Sängerin). Sofort erkannt, obwohl sie bzw. ihr Foto auf dem Kopf steht. 

Aber irgendwas… irgendwas…. ich weiß nicht… was stimmt da nicht?

Screenshot Facebook - "Adele"

Dankenswerterweise wurde das Rätsel hier gleich aufgelöst und erklärt: 

„Der Thatcher-Effekt.
Diese Täuschung verdeutlicht eine Schwachstelle in der Funktionsweise unseres Gehirns: Wir können ein auf dem Kopf stehendes Gesicht nicht verarbeiten, weil wir darauf programmiert sind, Gesichter von oben zu erkennen.
Wir erstellen eine mentale Karte, indem wir das Gesicht in Teilen erkennen – Augen, Mund und Nase.
Wenn wir also ein auf dem Kopf stehendes, „thatcherisiertes“ Bild vor uns haben, wird es nicht richtig verarbeitet.
Wir wissen, dass es auf dem Kopf steht, aber weil wir so selten auf dem Kopf stehende Gesichter sehen, haben wir uns nicht so entwickelt, dass wir die Ausdrücke darauf interpretieren können.
Die Gesichtszüge sehen in Ordnung aus, also nimmt unser Gehirn an, dass der Rest des Gesichts auch in Ordnung ist.
Deshalb sehen wir nichts Ungewöhnliches, bis wir das Gesicht in die „richtige Richtung“ drehen.“

Adele – ich sag’s, wie’s ist: Sei froh, dass das in die richtige Richtung gedrehte Bild dann nicht mehr dabei ist. Denn schmeicheln tut’s dir nicht. 

Muss ich ausprobieren

Ich dacht mir dann, bevor ich Adele hier weiter verpflichte, thatcherisiere ich ein eigenes Bild. Also „eigenes“ – irgendwie war ich mit meinem Kopf dann doch bei Berühmtheiten, weil ich wollte, dass man die Person auch gleich erkennt. – Ob sie nun auf dem Kopf steht oder nicht. 

Entschieden hab ich mich aus dem Bauch heraus für Benedict Cumberbatch. Für alle Fans gleich vorweg: Ihr werdet hier kein Foto von ihm sehen. Das hat zwei simple Gründe: 

  1. Ich habe kein Foto von Benedict, das ich einfach so verwenden könnte, ohne irgendwelche Urheberrechte zu verletzten. (Notiz an Benedict: Falls du das hier lesen solltest, meld dich gern bei mir, so ein Fotoshooting wäre sicher lustig. Es würde dich auch nichts kosten. Ich schwör!)
  2. Aber da gibt’s ja diverse Bilder-KI, also hab ich Midjourney drum bemüht. Es hat mir auch sehr schöne, sehr realistisch aussehende Bilder von Benedict geliefert. Aber ehrlich: Nach dem „thatcherisieren“ hat mir der Kerl einfach nur leid getan. Das bring ich nicht übers Herz. Und verklagt werden möcht ich auch nicht 😉

Also, blieb ich bei Midjourney und hab mir einen Fantasie-Menschen erschaffen lassen. 

Falls hier jemand ist, der dieser feschen Dame ähnlich sieht: Sorry, und – der Vollständigkeit halber: Die Person auf dem Beispielbild ist frei erfunden / von KI generiert. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt. 

Darf ich vorstellen? Mein Thatcherisier-Model

Nennen wir sie einfach mal „Margret“. Passt halt so gut.

Perfekt. Margret hat ein sehr symmetrisches Gesicht, das auch noch sehr gleichmäßig ausgeleuchtet ist. Das macht den „Umbau“ leichter. Und ja, ich hab bei der Eingabe des Prompts tatsächlich ein bisschen nachgedacht 😉 

Thatcherisiert

Und das ist Margret, nachdem ich sie „thatcherisiert“ hab. – Danke, Photoshop.

Sieht auf den ersten Blick ganz normal aus. Alles da, wo’s hingehört. Aber wenn wir länger hinsehen, machen unsere Gehirnwindungen kleine Knoten. Oder? Passt das alles, wie es soll? Bevor ihr euch hier weiter den Kopf zermartert, kürze ich ab und dreh dieses Bild für euch um:

Ach du Sch… – Sorry, Margret. 

Aber jetzt versteht ihr vielleicht, warum ich keine echte Person für den Versuch hernehmen wollte. Es würd mir einfach mein Leben lang leid tun. So oft könnt ich mich ja gar nicht dafür entschuldigen! Ich wollt ja nicht mal eins von mir selbst nehmen. Nicht, dass sich dann sämtliche Leute, wenn sie mich sehen, an das Bild erinnern und ihr Leben lang vor mir gruseln, schreiend davon laufen, mich mit Weihwasser besprühen und mit einem Exorzisten daher kommen.

Also, kurz: Das sind keine Knoten in den Gehirnwindungen mehr, da rüttelt’s einen so richtig durch. Da stimmt einfach gar nix mehr. Aber warum ist das so?

G’scheit erklärt: Der Thatcher-Effekt

Peter Thompson, Professor für Psychologie an der Universität York, hat 1980 diesen Effekt, der auch „Thatcher-Illusion“ genannt wird, entwickelt. Er hat ihn nach Margaret Thatcher benannt, da Thompson ein Porträt von ihr verwendete, um den Effekt zu veranschaulichen. 

Einer urbanen Legende nach soll Thompson den Namen gewählt haben, weil er dachte, die Illusion würde nur mit Margaret Thatchers Gesicht funktionieren.  Es gibt allerdings keine Bestätigung darüber, dass das tatsächlich so war. Dass es nicht stimmt, wissen wir – nicht nur ich hab das mit anderen Gesichtern getestet.

Unser Gehirn kann ein Foto eines umgedrehten Gesichts nicht richtig verarbeiten. Es glaubt allerdings, dass es das kann. Darum denkt man beim Betrachten eines solchen Bildes im ersten Moment „Alles gut, passt alles“. – Bis man das Bild umdreht. Dann nämlich ist der Unterschied offensichtlich (und „dezent“ gruselig).

Thompson wollte damit zeigen, wie unser Gehirn beim Betrachten von Gesichtern vorgeht. Seine Idee war, dass Gesichtselemente hintereinander (seriell) verarbeitet werden können, wenn sie auf dem Kopf stehen. Stehen sie aber aufrecht, werden sie nebeneinander (parallel) verarbeitet. Damit erklärt er, warum die umgekehrten Augen und der umgekehrte Mund weniger offensichtlich sind, wenn das gesamte Gesicht falsch herum gedreht ist.

Es ist, als ob unser Gehirn den „Upside-down-Modus“ einschaltet und bestimmte Veränderungen einfach nicht bemerkt. 
Unser Gehirn ist einfach viel besser darin, diese Details zu erkennen, wenn das Bild in der normalen Position ist. Wenn also durch das Umdrehen gewohnte Muster gestört werden, fällt’s uns dann doch schwer, die Veränderungen zu sehen oder zumindest, sie „einzuordnen“.

Versteht man das? Ja, irgendwie schon. Und wenn nicht: Ich find’s einfach spannend, wenn gerade in puncto Bildern unserem Gehirn ein Schnippchen geschlagen wird. 

Ahja… falls es jemand mit einem Foto von sich selbst ausprobieren mag: Entweder bei mir melden (wenn ich’s dann hier veröffentlichen darf *hrhr*) oder diese Seite besuchen: Thatcher Effect Illusion

Und das Bild von Margaret Thatcher, das von Peter Thompson „umgebaut“ wurde, findet ihr z. B. hier: Scientific American

"The Lady ist not for turning"